Seek Discomfort – ein Gastbeitrag von Jan Koller

Rapha, Festive500, Unsupported, Unsupported Challenge, Jan Koller

Mit einer beachtlichen Leistung beendet unser Freund Jan das Jahr 2020. Jedes Jahr zwischen 24.12. & 31.12. wollen ja viele unter uns Radfahrern die bekannte Rapha Festive 500 Challenge absolvieren. Tini konnte ich dafür meist nicht begeistern, aber ich habe mich schon oft gefragt, ob man das Ding nicht einfach einfach schnell hinter sich bringen soll und Jan hats durchgezogen. Eigentlich hatte er laufend die Wetterberichte gecheckt & sich den, laut Vorhersage, sonnigsten Tag ausgesucht, doch dann kam irgendwie alles anders….

Festive 500 – Seek Discomfort

Diese zwei Worte sind in meinem Kopf präsent, wenn ich an meine besondere Ausfahrt Ende des Jahres 2020 zurückdenke. Mein Vorhaben: 500km nonstop – innerhalb 24h, unsupported. Wie bin ich dazu gekommen und vor allem was braucht es dazu?

Rapha, Festive500, Unsupported, Unsupported Challenge, Jan Koller

Hintergrund & neue Wege

Bei einem Bikepacking Trip im Herbst dieses Jahres kam ich auf die Idee, das bekannte Festive 500 auf eine andere Art und Weise zu gestalten. (Info: Rapha hat vor vielen Jahren eine Challenge ins Leben gerufen, zwischen Weihnachten und Silvester müssen 500km gefahren werden, um eine virtuelle Auszeichnung auf der Plattform Strava zu bekommen.) Es sollte herausfordernd sein, anders und vor allem einen gebührenden Jahresabschluss darstellen. Wieso das? Ich habe im Jahr 2020, im Jahr der Veränderungen auch für mich entschieden mich im Radsport zu verändern. Die sehr eingeschränkte Rennradsaison 2020 war beendet und somit auch meine persönliche Karriere im Rennradsport. Ich werde ab 2021 keine Rennen mehr in einem Continental Team bestreiten, sondern mich selbst auf eine Reise machen. Wo genau die hingeht, wird sich noch zeigen – aber dazu später.

Jedenfalls entdeckte ich durch die besonderen Umstände letzten Jahres meine Leidenschaft für das Gravelbiken. Mehrstündige Ausfahrten im Gelände, Mehrtagestrips mit Übernachtung unter freiem Himmel und schlussendlich im Frühjahr das Zurücklegen von 200 Meilen offroad mit dem MTB. Diese Ganztagesausfahrt im Rahmen des Dirty Cancelled hat meine Lust noch mehr gepackt und mir schwirrten so einige Projekte im Kopf herum. Unteranderem das Festive 500 an einem Tag zu bewältigen, welches ich unbedingt noch Ende des Jahres 2020 in die Tat umsetzen wollte.

Hätte man mich vor einem Jahr gefragt, wohin mein Weg gehen wird, hätte die Antwort wohl ganz anders gelautet, als sie dies heute tut.
Das Jahr 2020 war wohl ganz anders als wir uns alle erwartetet haben. Ein Jahr, welches uns viel Zeit gab. Zeit, um sich mit einem Selbst auseinanderzusetzen. Aber es ist auch eine Chance zu reflektieren, einzuordnen, neu zu bewerten und zu priorisieren.

Der Weg aus der Komfortzone. Nicht das zu tun was wir immer tun. Überwindet man sich mal den ausgetretenen Weg zu verlassen und Neues zu entdecken, wird man oft süchtig. All diese Ausfahrten, Ideen und Projekte, die nicht machbar erschienen, waren plötzlich der Start für noch mehr. Gerne möchte ich Euch jetzt einen intensiveren Einblick in meine 24h Ausfahrt gewähren.

Rapha, Festive500, Unsupported, Unsupported Challenge, Jan Koller

Festive 500 – UNSUPPORTED

Die mentale Komponente ist mit Sicherheit die größte und härteste Herausforderung. Das Rad ist bereit, die Tour bis ins kleinste Detail geplant und die Kohlenhydratspeicher voll, dennoch braucht es noch die Überwindung das ganze wirklich durchzuziehen. 1 Grad Außentemperatur, Regen und Startzeit um 4:00 nachts, tragen dazu natürlich das Übrige bei.
Aber ich möchte euch eines mitgeben: JUST DO IT.

Sitzt man mal am Rad, hat die ersten abspulten Km vor Augen und das Gefühl des Zieles im Kopf, ist das warme Bett längst vergessen.

Das Ziel muss im vorhinein jedenfalls klar gesteckt sein. Ist man auf die schlimmsten Bedingungen und Gegebenheiten vorbereitet und bereit an seine Grenzen zu gehen, sollte Aufgeben gar keine Option mehr sein. War es zumindest für mich nicht mehr. Alles war geplant, es galt nur noch genau das durchzuziehen, komme was wolle. Dieses Gefühl etwas durchzuziehen, wobei Aufgeben immer wieder eine Option gewesen wäre, ist mit nichts zu vergleichen.

Rapha, Festive500, Unsupported, Unsupported Challenge, Jan Koller

Das Wichtigste dabei ist immer in Etappen zu denken, sich kleine Ziele zu stecken und vor allem Gefühlzustände kommen zu lassen und zu akzeptieren. Sich immer wieder bewusst zu machen, dass jedes Gefühl und jeder Gedanke gerade willkommen ist, auch der aufzugeben, aber dabei nicht zu vergessen, dass Gedanken nicht nur kommen, sondern dann auch bald wieder gehen und von Gedanken des Stolzes, der Freiheit und unglaublicher Glücksmomente abgelöst werden.

Das Ganze ist nicht nur eine Reise zu vollendeten 500km, sondern viel mehr einer Reise zu sich selbst. Man lernt viel über sich und seine mentale Stärke. Einer meiner größten Motivatoren war dabei herauszufinden, wie sowohl mein Kopf als auch mein Körper auf solch extreme Herausforderungen reagiert. Auf den Schlafentzug, die stundenlange Fahrt alleine in der Finsternis und auf die Kälte. Natürlich war es kein Zuckerschlecken und ich bin immer wieder sehr an meine Grenzen gekommen, aber in der Komfortzone passieren auch keine außergewöhnlichen Dinge, wie der bekannte Spruch – „Dein Leben beginnt dort, wo die Komfortzone endet“ – so passend ausdrückt.

Rapha, Festive500, Unsupported, Unsupported Challenge, Jan Koller

Ziele setzen & Grenzen kennen lernen

Genau das möchte ich mitgeben und hoffe euch damit ein bisschen anspornen zu können, genau das zu tun, was ihr schon lange vor hattet. Das was bisher unmöglich erschien. „Vieles wird nicht gewagt, weil es schwer erscheint, vieles erscheint nur deshalb schwer, weil es nicht gewagt wird.“ – Seek Discomfort

Habt ihr vor solche Projekte zu planen, plant sie gut und durchdacht, aber keineswegs bis ins kleinste Detail. Lasst euch Spielraum, Spielraum für kurzfristige Änderungen.
Das Radfahren ist manchmal genauso wenig planbar wie das Leben selbst.

Wichtig ist auch immer klein zu beginnen, sich kleinere Ziele zu setzen und dann größer zu denken. Nach bewältigten 200km erscheinen auch 300km nicht mehr unmöglich.
Und als kleiner Tipp am Rande: Startet solche Vorhaben vielleicht lieber bei wärmeren Temperaturen – man muss es sich ja nicht unnötig schwer machen 😉

Seek Discomfort – Es zahlt sich aus, versprochen!!